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Jon Mirande

    (Paris, 1925-1972)

 

Das Leben von Mirande, einem großen Sprachtalent und Sohn von Emigranten aus Zuberoa, der kleinsten und bergigsten Provinz des Baskenlandes, ist durch Unzufriedenheit gekennzeichnet. Als Poet und Intellektueller arbeitete er als Übersetzer im Finanzministerium; als Baske aus Tradition und Bestimmung, lebte er in der Hauptstadt eines Staates, der seine Nationalität nicht anerkannte; elitär und heterodox wurde er von seinen baskischen Zeitgenossen heftig kritisiert... Seine Poesie ist eine Mischung aus formaler Tradition und thematischer Modernität, in der sich Kritik, Erotismus und ein eher mythischer als politischer Irredentismus vereinen.

 

VOGELGLÜCK

        Jon Mirande , 1961

 

 

Einmal, als ich zu viel

Des guten, baskischen

Weins getrunken

Und schwer ums Herz mir war,

Hörte ich im Wald

Den baskischen Gimpel singen.

 

Auf der Spitze eines Astes

Einer starken, hohen Kiefer

Saß er und dorthin

Lenkte ich meine Schritte,

Um aus der Nähe dem Lied

Des baskischen Gimpels zu lauschen.

 

Er sang auf Baskisch

Seinen zwitschernden Vers,

Ein Lob auf die Alten Gesetze1

Und Gott, rechtschaffen

War der baskische Gimpel,

Der dort auf der Kiefer saß und sang...

 

Ich sprach zu ihm: «Mit Mühen nur

Versteh ich deine Sprache,

So reich und kultiviert,

Tiefgründig und erlesen wie sie ist.

Doch hast du eine herrliche Stimme,

Ehrwürdiger baskischer Gimpel!

 

«Vöglein, es ist Nacht und

Dunkel ist der Wald,

Hast du denn keine Angst?

Wenn nun gar  der Wolf kommt?»

—«Außer seinem Herren fürchtet er

Nichts, der baskische Gimpel.»

 

Ich sprach zu ihm: «Wer ist denn

Dein Herr,  mein Gimpel?»

Und er: «Eine baskische Dame

—Nicht hässlich und nicht alt—

Wunderschön und jung. Ihr Name ist

Eusko-Scholastika.»

 

Ich sprach zu ihm: «Mein Herz

Ist mutlos und betrübt...

Wenn doch dein Lied

Es wieder aufheitern könnte!

Mit Küssen möchte ich dich bedecken,

Komm, baskischer Gimpel.»

 

Ich drückte es an mich,

Das arme, schöne Vöglein,

Gab ihm auf die Flügel

Einen heißen, zärtlichen Kuss

Und meine Freudentränen

Benetzten den Gimpel.

 

Ich sprach zu ihm: «Dein

Lieblich Lied zu hören

Harren meine Landsleute,

Neben einer andren Kiefer,

Drum flieg jetzt schnell

Dorthin, baskischer Gimpel!»

 

Und er flog von Kiefer zu Kiefer

Den ganzen Wald erfreuend

Schwang er sich gen Himmel

Baskischer Kiefernwald.....

Und von jeder Kiefer

Sang der Gimpel.

 

1 Das Alte Gesetz -oder wie man in spanischer Sprache sagt, die Fueros- war die Verfassung der einzelnen baskischen Territorien. Diese Normen basierte auf alten, schriftlich nicht festgehaltenen Gewohnheitsrechten, bis der spanische und der französische Staat begannen, die baskische Souveränität anzugreifen. Ab diesem Zeitpunkt wurden sie schriftlich festgehalten (14. bzw. 16. Jahrhundert) und nahmen den Charakter eines Gesetzeswerkes an. Sämtliche französischen und spanischen Könige achteten diese Gesetze, bis sie im Nordbaskenland (Ipar Euskal Herria) von der Französischen Revolution  abgeschafft wurden und die letzte Niederlage der Karlisten im Jahr 1876 das Ende der letzten Reste dieser Freiheitsrechte im Südbaskenland (Hego Euskal Herria) zur Folge hatte.

 

 

Übersetzung: Gabriele Schwab

Originalversion: TXORIONTASUN

 

© Jon Mirande    

© Übersetzung: Gabriele Schwab    

Jahrhundert
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