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Pedro Mari Otaño

    (1857-1910)

 

Pedro Mari Otaño, der in einer Familie von Bertsolaris, 1 geboren wurde, gelang es, sich mit seinen Versen, sowohl wegen ihrer Qualität als auch wegen der ihn interessierenden Inhalte, über die rein populären Reime hinaus zu bewegen. Da er aufgrund seiner schlechten Stimme wenig für den Gesang geeignet war, trat er selten in der Öffentlichkeit auf. Vielleicht sind seine Verse gerade deshalb nachdenklicher, gelassener und unstreitbar von gutem Geschmack. Zu Lebzeiten galt er als größter Bertsolari. Sein zweiter Aufbruch nach Amerika, wo er sterben sollte, wurde zu einer nationalen Abschiedsfeier zu seinen Ehren. Pedro Mari Otaño ist eine der größten Persönlichkeiten des Bertsolarismus.

 

1 Für das Baskenland typische Sänger/Dichter, die ihre Verse zu einem bestimmten Thema improvisieren und in einer Art Streitgespräch zwischen verschiedenen Bertsolaris vortragen.

 

EIN KLEINES ALMOSEN

        Pedro Mari Otaño , 1893

 

 

Einen Knaben als Blindenführer an seiner Seite,

sah ich den Mann mit Glatze und weißem Bart, auf zwei Krücken gestützt

an der Straßenecke, nirgendwohin konnte er gehen;

und während ich mich ihm näherte, mit dem Wunsch zu erfahren, wer er sei,

bat er mich um ein kleines Almosen in Namen des Herrn.

 

Während ich ihm etwas gab, fragte ich ihn so taktvoll wie möglich,

ob sein Leiden angeboren sei oder durch eine Krankheit verursacht.

Er antwortete mir: "Nein, mein Sohn, nein, als ich jung war,

dachte ich nicht, dass es einmal so weit mit mir käme...

Heute bitte ich um ein Almosen im Namen des Herrn".

 

Und er fuhr fort: "Während des letzten Krieges,

war ich fast immer in den vordersten Reihen,

nimmermüde und leicht die längsten Wege bergauf,

als wir so unterwegs waren, kam es uns nicht in den Sinn....

Später um Almosen bitten zu müssen im Namen des Herrn".

 

"Wenn heiß das Blut und leichtsinnig der Geist

holt man sich schnell solche Blindheit:

Kummer und bittre Tränen kommen danach,

wenn man mit dem Leben davongekommen ist, irgendwie .....

Um ein kleines Almosen muss man dann eben bitten, im Namen des Herrn".

 

"Manchmal, wenn ich so für mich darüber nachdenke,

dass es auch heute viele gibt, die spornstreichs loszögen,

kann niemand sich vorstellen, wie traurig mich das macht.

Ah, so war auch ich, als ich gesund und jung war...

Heute bitte ich um ein Almosen im Namen des Herrn".

 

"Ah, viele Dummheiten macht man, wenn man wie von Sinnen ist;

glaub nur, was dir einer sagt, der all dies durchgemacht:

Besser ist es, solange man jung ist, fleißig zu arbeiten,

um später keine Tränen zu vergießen, wenn die Zeit vergangen,

und es einem nicht gelingt, ein kleines Almosen zu sammeln im Namen des Herrn".

 

 

Übersetzung: Gabriele Schwab

Originalversion: LIMOSNATXO BAT

 

© Pedro Mari Otaño    

© Übersetzung: Gabriele Schwab    

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